Das Bürgergeld – die wichtigsten Eckpunkte Im Gespräch: Thomas Gabor, Teamleiter Jobcenter Rhein-Sieg

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

 

Zu Beginn dieses Jahres wurde das Bürgergeld in Deutschland eingeführt – verbunden mit einigen Neuerungen für Empfänger von SGB II-Leistungen beim Jobcenter. Badhonefhilft.de sprach mit Thomas Gabor, Teamleiter des Jobcenters Rhein-Sieg. Wichtig vorbei: Bei allen Anträgen müssen stets die Umstände des Einzelfalles geprüft werden.

 

Badhonnef-hilft: Wie hoch sind die Freibeträge für mobiles (Bargeld, Kontostand, Aktien etc.) Vermögen bei der Beantragung von Bürgergeld?

Thomas Gabor: Das sind 40.000 Euro für den Antragsteller und 15.000 Euro für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.

 

Badhonnef-hilft: Wenn ich im Eigenheim wohne, bin ich durch den Bezug von Bürgergeld zum Verkauf verpflichtet?

Thomas Gabor: Selbst genutztes Wohneigentum – ein Haus mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder 130 Quadratmeter für selbstgenutzte Eigentumswohnungen – werden als angemessener Wohnraum anerkannt. Bei mehr als vier Personen erhöht sich dieser Richtwert um 20 Quadratmeter. Eine Berücksichtigung von unangemessen großem Wohneigentum erfolgt zudem erst nach Ablauf der Karenzzeit von einem Jahr Bürgergeldbezug.

 

Badhonnef-hilft: Ich habe mir kürzlich ein Auto gekauft. Wird dieses als Vermögen bewertet?

Thomas Gabor: Bis zu einem Verkehrswert von 15.000 Euro erfolgt keine Vermögensprüfung. Sofern der Wert Ihres Fahrzeugs darüber liegt, wird eine individuelle Angemessenheitsprüfung vorgenommen. Anhaltspunkt hierfür sind bspw. die Größe Ihrer Bedarfsgemeinschaft, die Anzahl der bereits vorhandenen Kfz in Ihrem Haushalt und der Zeitpunkt des Erwerbs des Automobils.

 

Badhonnef-hilft: Wenn ich eine Arbeit finde, die meinen Lebensunterhalt nicht vollständig deckt, wie wird mein Gehalt bei der Gewährung des Bürgergeldes berücksichtigt?

Thomas Gabor: Ihr Gehalt wird in Höhe von 100 Euro gar nicht bei der Berechnung des Bürgergeldes berücksichtigt. Der Gehaltsanteil zwischen 100 und 520 Euro wird in Höhe von 20%, der Gehaltsanteil zwischen 520 und 1000 Euro in Höhe von 30% und der Gehaltsanteil zwischen 1000 und 1500 Euro in Höhe von 10 % nicht berücksichtigt.

Hierzu folgendes Beispiel:

Bruttoeinkommen                     2000,00 EUR

Nettoeinkommen                      1500,00 EUR

Grundabsetzungsbetrag              ->          100,00 Euro

zwischen 100 und 520 20%         ->           84,00 Euro

Zwischen 520 und 1000 30%       ->           144,00 Euro

Zwischen 1000 und 1500 10%    ->           50,00 Euro

Freibetrag gesamt                          ->           378 EUR

Lediglich 1122,00 Euro Ihres Nettogehalts werden bei der Berechnung Ihres Bürgergeldes berücksichtigt.

 

Badhonnef-hilft: Mein Sohn ist Schüler (18 Jahre alt) und geht außerhalb der Ferienzeiten nach der Schule auf 520 Euro-Basis jobben. Wird sein Gehalt auch bei der Berechnung des Bürgergelds miteinbezogen?

Thomas Gabor: Ja, jedoch liegt der Grundabsetzungsbetrag für Erwerbstätige unter 25 Jahren während einer förderfähigen Ausbildung, einer förderungsfähigen berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, einer geförderten Einstiegsqualifizierung, als Schülerinnen und Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen außerhalb der Ferien oder des Bundesfreiwilligendienstes bei 520 Euro anstatt 100,00 Euro.

 

Badhonnef-hilft: Ich übe zur Zeit eine Teilzeitbeschäftigung aus und erhalte aufstockend Bürgergeld. Ich werde nächsten Monat in Mutterschutz gehen und Mutterschaftsgeld erhalten. Wird dieses bei der Berechnung des Bürgergeldes miteinbezogen?

Thomas Gabor: Nein, das Mutterschaftsgeld wird bei der Berechnung des Bürgergeldes nicht berücksichtigt. Sofern Ihr Arbeitgeber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld leistet, wird dieser jedoch bei der Berechnung Ihres Bürgergeldes miteinbezogen.

 

Badhonnef-hilft: Meine Tochter (19) ist Schülerin und möchte in den Sommerferien einen Ferienjob ausüben. Inwieweit wirkt sich das auf den Hilfebedarf unserer Bedarfsgemeinschaft aus?

Thomas Gabor: Ein reiner Ferienjob (außerhalb der Unterrichtszeiten) wird gar nicht bei der Berechnung des Bürgergeldes berücksichtigt.

 

Badhonnef-hilft: Was passiert, wenn meine Kosten der Unterkunft unangemessen hoch sind? Wird die Miete trotzdem vollständig als Bedarf anerkannt?

Thomas Gabor: Ja, aber gegebenenfalls nicht unbegrenzt. Zum 01.01.23 wurde eine sog. Krenzzeit von einem Jahr eingeführt, das heißt übergangsweise für den Zeitraum von einem Jahr werden die Kosten der Unterkunft in voller Höhe anerkannt.

Beispiel 1: Ein Neuantrag wird zum 15.01.23 gestellt, die Karenzzeit gilt vom 01.01.23 bis zum 01.12.23

Beispiel 2: Die Bedarfsgemeinschaft erhält bereits seit 2020 laufend Leistungen, hier gilt die Karenzzeit ab 01.01.23 bis 31.12.23, sofern die Kosten der Unterkunft noch nicht bereits vor dem 31.12.23 rechtskräftig abgesenkt worden sind. Sollte eine Absenkung und Reduzierung auf die angemessenen Werte bereits wirksam vor dem 01.01.23 vollzogen worden sein, bleibt es dabei. Es wird keine neue Karenzzeit gewährt.

 

Badhonnef-hilft: Was passiert nach Ablauf der Karenzzeit? Werden die Kosten der Unterkunft dann sofort abgesenkt?

Thomas Gabor: Nein, es wird ein Kostensenkungsverfahren eingeleitet, das heißt Sie werden aufgefordert binnen sechs Monaten die Kosten selbst durch geringere Nebenkosten oder Absprachen mit dem Vermieter zu senken. Falls das nicht gelingt, angemessener Wohnraum in Ihrem Wohnort zur Verfügung steht und der Umzug möglich und zumutbar ist, werden die Kosten abgesenkt.

Beispiel: Die Karenzzeit dauert vom 01.01.2023 bis zum 31.12.2023. Das Kostensenkungsverfahren wird mit einer Frist von sechs Monaten eingeleitet. Zum 01.07.2023 werden Kosten der Unterkunft nur noch in angemessener Höhe übernommen.

 

Badhonnef-hilft: Gilt die Karenzzeit auch für Heizkosten?

Thomas Gabor: Nein, die Karenzzeit gilt nicht für Heizkosten. Bei unangemessen hohem Verbrauch wird ein Kostensenkungsverfahren unmittelbar eingeleitet. Hierbei wird geprüft, ob unwirtschaftliches Heizverhalten vorliegt. Hierbei ist wichtig, dass der Verbrauch auf Angemessenheit geprüft wird, nicht der Preis.

Beispiel: In der Heizkostenabrechnung 2022 wird festgestellt, dass statt 1515 Liter Heizöl für drei Personen tatsächlich 4000 Liter verbraucht wurden. Hier wird eine Kostensenkung unmittelbar geprüft.

 

Badhonnef-hilft: Wie wird die Karenzzeit berechnet, wenn der Leistungsbezug unterbrochen wird?

Thomas Gabor: Wenn in der Karenzzeit mindestens für einen Monat der Leistungsbezug unterbrochen wird, verlängert sich die Karenzzeit um jeden vollen Monat ohne Leistungsbezug

 

Badhonnef-hilft: Was passiert, wenn ich während der Karenzzeit umziehe?

Thomas Gabor: Dann wird die Karenzzeit mit dem vollzogenen Umzug beendet, da der Schutzzweck des Wohnungserhalts entfällt. Wird vor dem Umzug keine Zusicherung eingeholt, dann werden neuen Kosten der Unterkunft nur bis zur Angemessenheitsgrenze übernommen.

 

Badhonnef-hilft: Was passiert, wenn ich innerhalb des Rhein-Sieg-Kreises umziehe, der Umzug aber nicht notwendig ist?

Thomas Gabor: Dann werden nur die bisherigen Kosten übernommen, ferner werden Wohnungsbeschaffungskosten wie Umzug und Mietkaution abgelehnt.  Wenn ein nicht erforderlicher Umzug von außerhalb in den Rhein-Sieg-Kreis erfolgt, dann werden nur die angemessenen Kosten übernommen, sowie die Wohnungsbeschaffungskosten abgelehnt.

 

Badhonnef-hilft: Was muss ich vor einem Umzug beachten?

Thomas Gabor: Es ist wichtig, dass Sie dem Jobcenter zunächst eine Mietbescheinigung des Vermieters vorlegen, damit das Jobcenter die Angemessenheit des Mietangebots hinsichtlich Grundmiete, Kaltnebenkosten und Heizkosten prüfen kann. Ferner muss das Mietangebot zumutbar für die Anzahl der Bedarfsgemeinschaftsmitglieder sein hinsichtlich des Raumschnitts und der Quadratmeterzahl. Geschönte oder unschlüssige Mietangebote werden nicht akzeptiert. Bei einer Wohnungsanmietung ohne vorherige Zusicherung werden in der Regel keine Wohnungsbeschaffungskosten wie Mietkaution übernommen.

 

Badhonnef-hilft: Unter welchen Voraussetzungen können unter 25-jährige Personen in eine eigene Wohnung  ziehen?

Thomas Gabor: Hierzu wird seitens der Arbeitsvermittlung geprüft, ob sozial schwerwiegende Gründe vorliegen, die den Auszug aus dem elterlichen Haushalt notwendig machen. Diese Gründe müssen von den AntragstellerInnen nachgewiesen werden, gegebenenfalls mittels schriftlichen Bestätigungen seitens Dritter wie zum Beispiel Jugendamt oder Fachärzten. Sollte die unter 25-jährige Person ausziehen, ohne dass sozial schwerwiegende Gründe festgestellt wurden, werden keine Kosten der Unterkunft übernommen. Ferner wir der Regelsatz für unter 25-jährige Personen im elterlichen Haushalt gezahlt und nicht für Alleinstehende/Partner. Damit soll verhindert werden, dass elterliche Unterhaltpflichten zu Lasten des Steuerzahlers umgangen werden

 

Badhonnef-hilft: Erhalte ich Bürgergeld, wenn ich eine hohe Betriebs- oder Heizkostenabrechnung zahlen muss, ansonsten aber aufgrund meines Einkommens nicht hilfebedürftig bin?

Thomas Gabor: Auch wenn Bürgergeld nicht laufend bezogen wird, kann bei einer Heizkostennachzahlung oder auch bei einer Heizmittelbevorratung ein Antrag für den Fälligkeitsmonat gestellt werden, da diese fälligen Mehrkosten den Bedarf steigern. Dazu muss der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit der Rechnung gestellt werden. Es gibt hierfür keinen Kurzantrag, das heißt, es müssen alle Nachweise zu Einkommen, Vermögen, Kosten der Unterkunft etc. vorgelegt werden. Vermögen muss nur eingesetzt werden, wenn das Vermögen den Freibetrag von 15.000 Euro pro Person übersteigt.

 

Badhonnef-hilft: Unter welchen Bedingungen werden Stromdarlehen gewährt?

Thomas Gabor: Stromdarlehen werden gewährt, wenn der Bedarf unabweisbar ist, das heißt eine der Wohnungslosigkeit vergleichbare Situation droht. Dies ist in der Regel der Fall, wenn eine Stromsperre droht oder bereits durchgeführt wurde.

Die Stromsperre muss zivilrechtlich zulässig sein. Dies richtet sich nach der Stromgrundversorgungsverordnung (§ 19 StromGVV).

Voraussetzungen:

–              Mindestrückstände von 100 Euro

–              Androhung der Stromsperre muss vier Wochen vorher schriftlich erfolgen

–              Sperrankündigung muss 8 Tage vorher schriftlich angekündigt werden

–              Die Sperre muss verhältnismäßig und eine Ratenvereinbarung gescheitert sein

Sollten die Voraussetzungen nicht vorliegen, handelt es sich um eine zivilrechtlich unzulässige Stromsperrung, so dass die KundInnen darauf verwiesen werden, sich rechtlich dagegen zu wehren und damit ihre Selbsthilfemaßnahmen auszuschöpfen.

 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


* “Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website einverstanden."